Gigantisch – dieser Begriff trifft es wohl am besten, wenn es darum geht, das neue Versandzentrum in Iłowa zu beschreiben. Am Rande der westpolnischen Kleinstadt, rund eine Autostunde von Cottbus entfernt, ist eine neue Drehscheibe für den Onlinehandel entstanden, die ihresgleichen sucht.
Ein Leuchtturmprojekt im europäischen E-Commerce - so lässt sich das neue Logistikzentrum in Iłowa wohl beschreiben. Und das liegt nicht nur am hochmodernen sogenannten Taschensorter, der Bestellungen buchstäblich in die Tasche steckt und so den Dreh- und Angelpunkt der Anlage bildet. „Mit diesem zukunftsgerichteten Standort werden wir europaweit Maßstäbe setzen“, ist Kay Schiebur, im Konzern-Vorstand der Otto Group für Services zuständig, überzeugt. Allein was die Dimensionen anbelangt, setzt das Versandzentrum in Iłowa Standards. Auf einem Grundstück, das mit seinen 260.000 Quadratmetern in etwa so groß ist wie 37 Fußballfelder entstand in knapp zwei Jahren Bauzeit ein nach Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) entwickelter Gebäudekomplex aus neun Hallen mit einer Grundfläche von rund 118.000 Quadratmetern. Damit entspricht allein die Gebäudefläche zusammengerechnet 16 Fußballplätzen. Die Nutzfläche ist mit insgesamt 268.000 Quadratmetern sogar mehr als doppelt so groß, weil im Kommissionierbereich zusätzlich Zwischenebenen eingezogen wurden. Einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag hat die Otto Group in das Versandzentrum investiert, mit dem die Logistik für den Onlinehändler OTTO auf ein neues Niveau gehoben und die Geschwindigkeit im E-Commerce weiter erhöht werden soll.
Betrieben wird der aktuell größte B2C-Standort in Polen vom zur Otto Group gehörenden Logistikdienstleister Hermes Fulfilment. Das Unternehmen wird dort mit bis zu 1.900 Mitarbeitenden für OTTO die Warenlagerung übernehmen, die im Internet bestellten Artikel verpacken und sich um den europaweiten Versand kümmern. „Der Standort in Iłowa ist der erste in unserer Unternehmensgeschichte, den wir im Ausland komplett neu geplant und aufgebaut haben“, sagt Kevin Kufs, CEO von Hermes Fulfilment. Zugeschnitten ist das Versandzentrum auf die logistische Abwicklung des kleinvolumigen Sortiments, vor allem Bekleidung.
Ist das Äußere des Gebäudekomplexes wegen seiner Dimensionen für sich genommen schon beeindruckend, besticht das Innere vor allem durch modernste Technik und perfekt aufeinander abgestimmte logistische Prozesse. Der Wareneingang verfügt über 28 Tore, so viele wie kein anderer von Hermes Fulfilment betriebener Standort. Nach einer stichprobenartigen Qualitätskontrolle gelangen die angelieferten Kartons mit Neuware ins vollautomatische Hochregallager, wo in 26 Gassen 1,2 Millionen Lagerplätze zur Verfügung stehen. Über Förderbänder werden die Kartons vom Hochregallager zur Kommissionierung transportiert. Dort tragen Mitarbeitende auf 127.000 Quadratmetern die bestellten Artikel zusammen. Produkte, die größer oder schwerer als üblich sind, werden oft auf Paletten angeliefert. Für sie wurde eigens ein manuelles Schmalganglager mit einer Kapazität von 33.000 Palettenplätzen geschaffen. Auch die Kommissionierung größerer und schwererer sowie oft bestellter Artikel erfolgt separat. Diese Anlage ist insgesamt 40.000 Quadratmeter groß und bietet 14.000 Paletten Platz. Die Anordnung auf vier Ebenen spart wertvolle Grundfläche, denn Ladungsträger mit schweren Waren stehen zum sogenannten Picken nebeneinander auf dem Boden.
Herzstück des neuen Versandzentrums ist der erwähnte leistungsstarke Taschensorter, den Hermes Fulfilment zum ersten Mal an einem Standort einsetzt. Der Taschensorter verbindet den Kommissionierbereich mit der Halle, in der die bestellten Artikel für die Kund*innen verpackt werden. Wie eine Achterbahn schlängelt sich das ausgeklügelte System überwiegend unter der Decke zu den 90 Packplätzen im Versand. Die Installation über den Köpfen der Mitarbeitenden spart ebenfalls wertvolle Bodenfläche ein und gibt sie für andere Nutzungen frei. Transportiert werden die bestellten Artikel in 50.200 Taschen mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Produkte wie zum Beispiel Schuhe in Kartons oder wie etwa T-Shirts in Beuteln verpackt sind. Nur schwerer als sieben Kilogramm dürfen die Artikel nicht sein. Bis zu 18.000 Teile pro Stunde kann der Taschensorter transportieren. Retournierte Artikel werden in einem modernen dynamischen Shuttle-Lager mit 92.000 Plätzen gelagert.
Letzte Station auf dem Weg durch das Versandzentrum über die rund acht Kilometer lange Förderstrecke ist der Warenausgang. Dort werden die fertig gepackten Sendungen mithilfe einer weiteren Sortieranlage den verschiedenen Versandrichtungen zugeordnet und an 98 Toren auf die bereitstehenden Lkw verladen. Die Auslieferung erfolgt vor allem nach Deutschland, Frankreich, Österreich und in die Niederlande. Bis zu 110 Millionen Sendungen pro Jahr können so auf den Weg zu den Kund*innen gebracht werden.
Etwas weniger als vier Stunden dauert es, bis ein bestellter Artikel den gesamten Prozess im Versandzentrum Iłowa durchlaufen hat. „Der hohe Automatisierungsgrad hilft uns dabei, deutlich schneller zu werden und die sogenannte Next-Day-Delivery-Quote signifikant zu steigern“, betont Kay Schiebur. Ziel ist es, mindestens 60 Prozent der Bestellungen künftig bereits am Folgetag zuzustellen. „Über die kürzere Paketlaufzeit wird sich das Einkaufserlebnis noch einmal spürbar verbessern“, ist der Konzern-Vorstand überzeugt. „Geschwindigkeit und Service sind zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor im E-Commerce geworden. Deshalb investieren wir fortlaufend in neue Technologien und stellen unser Logistiknetzwerk so auf, dass wir unsere Kund*innen noch schneller erreichen können“, sagt Kay Schiebur.
Dabei kommt es - wie überall in der Logistik - auf ein gutes Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine an, um Kundenbedürfnissen zu entsprechen und allen Kolleg*innen im Logistikbereich ein Arbeitsumfeld mit Zukunftsperspektive zu bieten. Deswegen setzt die Otto Group an ihren Logistikstandorten auf modernste Technik, Künstliche Intelligenz und Robotik (Mehr dazu hier).
Seit Ende Juli wird das Versandzentrum in Iłowa Schritt für Schritt hochgefahren. Das Lager füllt sich, der operative Betrieb ist gestartet. Im kommenden Jahr soll der modernste Logistikstandort im Netzwerk der Otto Group dann unter Volllast laufen.