Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in die verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereiche der Menschen. Ob smarte Telefone, Uhren und Brillen, sich mit KI selbst steuernde Haushaltgeräte und Fahrzeuge oder Chatbots wie ChatGPT. KI hat sich aufgemacht, unsere Welt ähnlich radikal zu verändern, wie es einst die Erfindung des Internets tat – da sind sich die Expert*innen weltweit weitestgehend einig. Ein weiterer Bereich, in dem KI zunehmend an wettbewerbsrelevanter Bedeutung gewinnen wird, ist die Logistik. Das hat die Otto Group frühzeitig erkannt und setzt im Rahmen einer strategischen Partnerschaft in ihren Fulfilment Centern in naher Zukunft auf die KI-gesteuerten Roboter des US-Startups Covariant. Eine erste Teststation wurde im November 2023 bei Hermes Fulfilment in Haldensleben eingerichtet – zur Freude und unter Beobachtung der dort tätigen Mitarbeitenden. Denn für sie wird der neue Roboter-Kollege vor allem Entlastung bringen. Und gleichzeitig ihre Jobprofile in der Lagerlogistik aufwerten. Ein Besuch vor Ort.
Mit einer zackigen, präzisen Bewegung senkt sich der Roboterarm in die gut mit Waren gefüllte lilafarbene Wanne, greift mit seinen vakuumbetriebenen Saugnäpfen ein beliebiges Produkt, hebt es heraus und lässt es sanft auf das daneben befindliche Transport-Förderband fallen. Dort wird es geschwind zur nächsten Station transportiert, um automatisiert in eine Versandtasche gesteckt und mit einem Adress-Label versehen zu werden. Immer und immer wieder, ohne müde zu werden, hebt der Roboterarm der Firma Covariant Produkte aus der Wanne. Seine Herausforderung: Die riesige Vielfalt in Sachen Formen, Farbe und Menge der zu verarbeitenden Ware, die bislang eine menschliche Hand-Auge-Koordination verlangte wie zum Beispiel sogenannte „biegeschlaffe“ Textilien. Möglich ist dies nun durch die KI, die im sogenannten „Covariant Brain” steckt. Durch die Einheit mit sechs Kameras lernt der Roboter die unterschiedlichen haptischen Eigenschaften der verschiedenen Produkte und speichert sie in seinem elektronischen Gedächtnis ab. Für das nächste Mal und alle weiteren Roboter der Flotte – und zwar Logistikcenter-übergreifend!
Ein paar Meter weiter arbeitet Birka Kreibich, seit 13 Jahren Mitarbeiterin im Einzelversand von Hermes Fulfilment am Logistik-Standort Haldensleben in Sachsen-Anhalt. Sie führt bislang eine ähnliche Tätigkeit aus wie die Robotikstation: Sie nimmt einen Artikel aus einer lila Wanne, kontrolliert die zugehörige Rechnung und verpackt den Artikel anschließend in einer Versandtüte oder in einen Karton, um ihn versandfertig zu machen. Wieder und wieder. Neugierig blickt sie ab und an zu ihrem neuen, futuristischen Kollegen hinüber und freut sich schon darauf, dass dieser ihr in nicht mehr allzu ferner Zukunft diese repetitive Arbeit abnehmen wird. Sie und ihre Kolleg*innen wurden bereits im Vorfeld in die Planungen zur Integration von Robotern in ihr Arbeitsumfeld mit einbezogen und konnten ihre Ideen, wie und wo die Roboter zukünftig ihre größte Wirksamkeit entfalten können, mit einbringen.
„Unsere Arbeit ist körperlich anspruchsvoll. Mit der Unterstützung durch die Roboter wird sie abwechslungsreicher und ergonomisch besser für uns“, ist sie sich deshalb sicher. Sorge, dass die Roboter ihnen wohlmöglich die Arbeit gänzlich wegnehmen könnte, hat sie nicht. Denn sie weiß, dass sie durch ihre neuen KI-Kollegen die Möglichkeit erhalten wird, sich auf abwechslungsreichere und komplexere Aufgaben zu konzentrieren, für die es nach wie vor Menschen braucht – zum Beispiel für das Anleiten und Steuern der Roboter und die Kontrolle der erbrachten Leistungen.
Mehr als einhundert KI-Robotikstationen werden folgen
Aber noch ist es nicht soweit. Der Covariant-Roboter gehört zu einer Pilottest-Station, die im November 2023 am Hermes Logistik-Standort Haldensleben in Betrieb genommen wurde und nun auf „Herz und Nieren“ geprüft wird. Noch steht er dort allein. Mehr als einhundert weitere KI-Robotikstationen aber werden folgen, wenn er alle Tests besteht. Denn die Otto Group hat im August 2023 die strategische Partnerschaft mit dem kalifornischen Startup Covariant bekannt gegeben, das von Insidern als weltweit führender Anbieter von KI-Robotik gesehen wird. Covariant entwickelt Roboter, die mittels KI befähigt werden, autonome Entscheidungen zu treffen und mit Waren unterschiedlichster Form umzugehen. Eine Revolution in der Welt der Logistik. Denn vor dem Hintergrund dieser bahnbrechenden technologischen Entwicklungen können logistische Abläufe zukünftig völlig neu gedacht und organisiert werden: vom Warenfluss über die Verteilung und Konfektionierung bis hin zu der Bewegung von Gütern.
Auch für Marius Schneider, Betriebstechniker im Versandbereich, ist der neue Roboter spannend. Schließlich betreut er die verschiedenen technischen Anlagen am Logistikstandort Haldensleben – und ist zukünftig somit auch für diesen zuständig. „Zu meinen neuen Aufgaben wird auch die Programmierung und Wartung der Covariant-Robotikstationen gehören sowie die Behebung von Störungen, wenn welche auftreten“, erläutert er.
Marius ist wie seine Kollegin Birka überzeugt, dass die Covariant-Roboter ihm und seinen Kolleg*innen in der Zukunft die Arbeit erleichtern und dafür sorgen werden, dass die bestellten Waren noch schneller bei den Kund*innen ankommen. Gleichzeitig erweitert sich zudem sein Aufgabenfeld mit dieser sowie allen weiteren Logistik-Innovationen und schafft neue, vielfältige Herausforderungen, denen er sich gern stellt.
Unterstützung durch interne Weiterbildungen
Unterstützung, um zukünftig mit den neuen Technologien gut umgehen zu können, erhält Marius durch verschiedene interne Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen von TechUcation@Logistik. Dieses Programm schult über verschiedene Lernmodule die Mitarbeitenden an allen Logistik-Standorten von Hermes Fulfilment in Sachen Digitalisierung. „Dadurch wurden Berührungsängste, die man vielleicht am Anfang noch im Umgang mit der neuen Technik hatte, abgebaut“, erzählt er. Daher fühle er sich für die Zukunft und das, was dort noch auf ihn zukommen wird, gut gerüstet.
Nicht nur für die gestandenen Mitarbeiter*innen in der Lagerlogistik bricht mit dem Einsatz von KI-gesteuerten Robotern eine neue Ära an. Auch für die nachfolgende Generation, die den Digitalisierungsthemen naturgemäß nähersteht, wie den 18-jährigen Jonas Behrend, Auszubildender zum Industriemechaniker, erweitert sich das Aufgabenspektrum in der Logistik entscheidend – und macht das Tätigkeitsprofil noch attraktiver. Ein wesentlicher Faktor im Kampf um engagierte Fach- und Nachwuchskräfte und für Jonas ein echter Gewinn im Arbeitsalltag.
Ich finde es sehr gut, dass hier jetzt Roboter zum Einsatz kommen. Das erleichtert den Kolleg*innen die Arbeit.
Zuständig für die Konzeption, Planung und Umsetzung der umfangreichen Tests an der neuen Roboterstation in Haldensleben sind die Projektteams der Abteilung Logistikberatung und -Planung bei Hermes Fulfilment. Die Testphase gliedere sich in drei wesentliche Abschnitte, sagt Projektleiter Björn Dörlemann: „Zunächst testen wir die technische Performance im Betrieb, danach starten umfangreiche Tests mit zunächst ausgewählten Testartikeln, anschließend dann mit realen Kunden-Bestellungen.“ Bis die Roboterarme in die bestehende Systemlandschaft integriert werden können, vergeht allerdings noch knapp ein Jahr.
Operativer Betrieb startet 2025
Jie „Betty” Hou, Senior Managerin Supply Chain Management der Otto Group, die die zukunftsweisenden Innovationsprojekte von Seiten der Otto Group aus steuert, hat bereits den weiteren Roll-Out im kommenden Jahr vor Augen. Bereits 2025 sollen die ersten Roboterarme ihren regulären operativen Betrieb auch an weiteren Hermes Fulfilment-Standorten aufnehmen werden. Aber schon jetzt ist sie sehr zufrieden mit den ersten Ergebnissen, die die Pilotstation liefert: „Wir sehen hier schon jetzt die Zukunft, auf die wir zusteuern. Als Otto Group wollen wir dieser Zukunft mit Mut und Neugier begegnen.“
Diesen eingeschlagenen Weg der Otto Group gehen die Kolleg*innen am Haldenslebener Standort gern mit und freuen sich auf die zukünftige Zusammenarbeit mit den Roboter-Kollegen. Birka: „Ich glaube, das wird spannend!“