Diese Story ist Teil 2 unserer Serie zum Thema
Lieferkettengesetz.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist in Kraft. Was ändert das Gesetz für die Otto Group? Hier Teil 1 des Gesprächs.
Wo sind die Grenzen Eurer Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards?
Tobias Wollermann: Bei unseren direkten Geschäftspartnern sind die Möglichkeiten der Einflussnahme natürlich größer als im Bereich der Rohstoffgewinnung, also in der tieferen Lieferkette. Wenn wir uns das LkSG ansehen, könnte man sagen: Je näher der Zulieferer an uns dran ist, desto mehr stehen wir in der Verantwortung. Grundsätzlich stimmt das, allerdings haben wir uns als Otto Group selbst das Ziel gesetzt, alle Akteure in den Lieferketten unserer Marken – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt – zu identifizieren und sie bei der kontinuierlichen Verbesserung der Produktionsbedingungen zu unterstützen. Eine große Aufgabe.
Das kann problematisch werden, oder? Weil ja Teile der Lieferkette, die zum Beispiel mit der Rohstoffgewinnung zusammenhängen, nicht so im Fokus stehen. Wie löst Ihr dieses Problem?
Tobias Wollermann: Indem wir Schritt für Schritt darauf achten, mit welchen Partnern wir zusammenarbeiten. Wir erwarten von ihnen, dass sie bei ihren eigenen Partnern entlang der Lieferkette ebenfalls die Einhaltung von Standards fordern und kontrollieren. Dies bestätigen sie uns dann etwa durch die Unterzeichnung unserer Business Partner Declaration, die unsere Anforderungen als Vertragsbestandteil festhält.
Dafür braucht es eine Menge Transparenz.
Lena Peleikis: Exakt. Das ist die größte Herausforderung. Daher sind unsere Geschäftspartner auch dazu verpflichtet, die Fabriken offenzulegen, die für die Otto Group produzieren. Diese Informationen werden in unserer Datenbank erfasst, wodurch wir nahezu 100 Prozent der Endfertigungsfabriken kennen und durch Sozial-Audits auch regelmäßig Einblick in die Arbeitsbedingungen erhalten. Darüber hinaus erfassen wir ständig neue Akteure in der tieferen Lieferkette und erfragen auch da Informationen über deren soziale und ökologische Produktionsbedingungen.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BafA) kümmert sich um die Einhaltung des Lieferkettengesetzes. Es führt allerdings keine Kontrollen vor Ort durch. Sprich: Das BafA wird die Daten der Otto Group kontrollieren, aber keine Fabriken besichtigen. Ist das Eurer Ansicht nach sinnvoll?
Tobias Wollermann: In Konzernen unserer Größe kommen ja leicht zehntausende Akteure in der Lieferkette zusammen. Daher sind stichpunktartige Kontrollen vermutlich nicht das richtige Mittel. Das BafA wird kontrollieren, wie systematisch und strukturiert wir als Unternehmensgruppe vorgehen und ob wir die richtigen Prozesse aufgesetzt haben.
Diese verbindliche Systematisierung, das ist das eigentlich Neue am Lieferkettengesetz. Dass man sich nicht mehr aussuchen kann, wo man aktiv wird. Dass man nicht mehr sagen, kann: „Ach dieser Bereich, der ist mir zu kompliziert oder zu heikel.
Klingt nach Mammutaufgabe…
Tobias Wollermann: Es ist eine Herausforderung, klar. Aber eine, die wir annehmen. Ich würde das gern mal an einem Beispiel erklären. An einem Kühlschrank, der bei uns im Sortiment ist, sind rund 60 Zulieferer beteiligt. Wenn man das bei einer Unternehmensgröße wie der unseren hochrechnet, kommt man auf zehntausende Produktionsschritte in unseren Lieferketten. Und da ist es schlichtweg unmöglich für ein Amt wie das BafA, jeden einzelnen zu kontrollieren. Es braucht also einen systematischen Ansatz.
Klingt logisch, doch wer kontrolliert, dass die Angaben von Unternehmen wie der Otto Group eigentlich stimmen?
Tobias Wollermann: Zunächst einmal unterstelle ich jedem Unternehmen die besten Absichten bei der Bereitstellung von Informationen. Für die meisten betroffenen Firmen ist das Thema nicht neu, und Kontrollen finden in ihren Lieferketten bereits seit vielen Jahren statt. Neu sind allerdings die vom BafA vorgegebenen Prozesse und Strukturen, die Risikoanalysen und die Berichtspflichten nach einheitlichem Muster. Zudem kann sich jede Person auf der Website des BafA über ein Unternehmen beschweren, wenn der Eindruck besteht, dass es gegen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verstößt.
Wie muss man sich solch einen Lieferketten-Bericht eigentlich vorstellen?
Tobias Wollermann: In einem ersten Schritt beantworten wir einen Fragenkatalog des BafA mit rund 400 Einzelaspekten. Aus den Antworten wird ein Bericht generiert, der spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres für einen Zeitraum von sieben Jahren auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden muss. Jeder kann ihn lesen, alles wird transparent.
Letztlich ist die Überprüfung der Lieferkette eine Reise, auf die wir gemeinsam gehen und während der man immer besser wird.
Von 0 bis 10. Wie weit ist die Otto Group mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben?
Tobias Wollermann: Es ist ein Gesetz, es wird von uns umgesetzt. Punkt. Ja, natürlich bindet das Kapazitäten, aber wir sind gut vorbereitet. Letztlich ist die Überprüfung der Lieferkette eine Reise, auf die wir gemeinsam gehen und während der man immer besser wird. Wir sehen die Umsetzung des Lieferkettengesetzes als einen Lernprozess für alle beteiligten Akteure. Und um die Frage zu beantworten: Bis dato sehen wir uns sehr gut gerüstet für die anstehenden Aufgaben.
Also bei einer neun auf einer Skala von null bis zehn?
Tobias Wollermann: Wenn wir von unserer Motivation sprechen, dann sogar eine zehn. Aber wir reden hier von einer langen Reise, die wir angetreten haben.
Weiterlesen: Wie schafft man es, dass Sozial- und Umweltstandards europaweit und vielleicht sogar global gelten? Macht Nachhaltigkeit eigentlich Produkte automatisch teurer? Und was halten die Kunden davon? Lesen Sie hier Teil 3.