Diese Story ist Teil 3 unserer Serie zum Thema
Lieferkettengesetz.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist in Kraft. Was ändert das Gesetz für die Otto Group? Hier Teil 1 des Gesprächs.
Und wie funktioniert das „Auskunftgeben“ über die eigene Lieferkette genau? Wer kontrolliert die Angaben der Unternehmen? Und wie tief hinein in die Lieferketten lassen sich Sozial- und Umweltstandards eigentlich überwachen? Dazu mehr in Teil 2.
Weil Themen wie Menschenrechte und Klimaschutz nicht verhandelbar sind und keinen Aufschub dulden. Wir müssen da ran.
Es gab in den letzten Monaten eine Menge Kritik am Gesetz. Es sei kompliziert und komme – wegen der eh schon angespannten Wirtschaftslage und den weltweiten Krisen – zur Unzeit. Was sagen Sie?
Tobias Wollermann: Tatsächlich sind die makroökonomischen Entwicklungen für viele Unternehmen gerade sehr herausfordernd und auch die Otto Group befindet sich in einer angespannten Lage. Aber trotzdem ist der Zeitpunkt richtig. Weil Themen wie Menschenrechte und Klimaschutz nicht verhandelbar sind und keinen Aufschub dulden. Wir müssen da ran. Und den Kritikern kann ich nur sagen: Das Gesetz ist bewusst als Prozess aufgesetzt. Und wenn wir uns da systematisch nähern und uns stetig verbessern, dann wird das klappen. Es geht jetzt eben los.
Auf das für Deutschland geltende Gesetz sollen bald EU-weite Richtlinien folgen. Diese Richtlinien sollen sogar noch über das Lieferkettengesetz hinausgehen. Was halten Sie davon?
Lena Peleikis: Es stimmt, die Richtlinien werden über das deutsche Gesetz hinausgehen, es werden auch kleinere Unternehmen betroffen sein. Wir sehen das deutsche Gesetz für uns als eine gute Vorbereitung auf die europäische Version, insbesondere mit Blick auf die etablierten Prozesse und Abläufe.
Robert Grabosch, ein Jurist, der die Bundesregierung bei der Arbeit am Lieferkettengesetz beraten hat, glaubt, dass mit dem Gesetz das Label „Made in Germany“ in Zukunft für Produkte stehen könnte, die einem hohen, ethischen Standard genügen. Finden Sie das nachvollziehbar?
Lena Peleikis: „Made in Germany“ ist womöglich etwas irreführend, weil es sich ja um Produkte handelt, die unter Umständen woanders hergestellt wurden. Trotzdem glaube ich, dass es natürlich einem Unternehmen nützen kann, wenn klar ist, dass es für menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflicht eintritt.
Die Kritiker des Gesetzes führen übrigens an, dass Standards, die nur für Unternehmen in Deutschland gelten, es der Konkurrenz im Ausland erlauben, viel billiger zu produzieren. Was sagen Sie dazu?
Tobias Wollermann: Dieses Argument finde ich erstmal nachvollziehbar. Idealerweise spielen alle Akteure nach denselben Regeln – wir sprechen dann von einem „Level Playing Field“. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir bald Regelungen auf EU-Ebene, vielleicht ja irgendwann auf internationalem Niveau, etablieren. Jetzt fangen wir aber erstmal in Deutschland an. So ein Gesetz weltweit durchzusetzen ist, da müssen wir ehrlich sein, natürlich wahnsinnig schwer. Aber es muss unser Ziel sein.
Nachhaltiges Handeln wird aber in Zukunft zunehmend zur “License to operate” für Unternehmen – will sagen: Nachhaltigkeit muss integraler Bestandteil der Geschäftsmodelle eines Unternehmens sein.
Wie groß ist die Sorge der Otto Group, dass Kunden lieber billiger und ethisch fragwürdig einkaufen, als die unter Umständen etwas teureren Produkte, die dann aber höheren Standards genügen?
Tobias Wollermann: Klar, im Moment achten viele Kund*innen wegen der wirtschaftlichen Lage sehr aufs Geld. Nachhaltiges Handeln wird aber in Zukunft zunehmend zur “License to operate” für Unternehmen – will sagen: Nachhaltigkeit muss integraler Bestandteil der Geschäftsmodelle eines Unternehmens sein. So zeigten bereits Ergebnisse unserer letzten Otto Group Trendstudie 2020, dass gut zwei Drittel der Deutschen jene Unternehmen zunehmend meiden oder sogar boykottieren, die sich ihrer Verantwortung für Umwelt, Lieferkette und dem Gemeinwohl entziehen.
Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Einhaltung von Menschenrechten können wir nur gemeinsam im Verbund mit anderen begegnen.
Durch das Lieferkettengesetz muss auch die Konkurrenz der Otto Group Standards erfüllen, deren Einhaltung lange Euer Alleinstellungsmerkmal war. Verliert die Otto Group also gerade einen Wettbewerbsvorteil?
Lena Peleikis: Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Einhaltung von Menschenrechten können wir nur gemeinsam im Verbund mit anderen begegnen. Deshalb haben strategische Allianzen wie etwa der Internationale Accord oder das deutsche Textilbündnis schon seit vielen Jahren bei uns Tradition. Denn sie können gemeinsam Dinge bewegen, bei denen ein einzelnes Unternehmen oftmals nur beschränkten Einfluss hat. Wir begrüßen es, dass die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards mit dem neuen Lieferkettengesetz nun auch bei den Unternehmen auf die Agenda gesetzt wird, die sich bisher noch wenig damit beschäftigt haben.
Die Analyse der Risiken entlang der Lieferkette und die Maßnahmen, um Missstände zu bereinigen – all das kostet Geld. Werden die Produkte der Otto Group in Zukunft teurer werden?
Tobias Wollermann: Wir werden die Maßgaben des Gesetzes in unsere bereits bestehenden Kernprozesse integrieren. Das Einführen und Implementieren von Umwelt- und Sozialstandards sehen wir vor allem als eine Investition und nicht als Kostenfaktor.
Wenn wir systematisch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen herbeiführen wollen, müssen wir uns doch fragen, wie wir unseren wirtschaftlichen Einfluss positiv nutzen können.
Wird das Gesetz Eurer Ansicht nach dazu führen, dass sich Konzerne aus manchen Produktionsländern zurückziehen?
Lena Peleikis: Das ist schwer zu sagen und kommt auf den Einzelfall an. Wenn wir systematisch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen herbeiführen wollen, müssen wir uns doch fragen, wie wir unseren wirtschaftlichen Einfluss positiv nutzen können. Und das ist nicht möglich, wenn man sich aus dem Produktionsland zurückzieht. Ich möchte hier auch noch einmal betonen: Das Lieferkettengesetz ist ein Bemühens-Gesetz, es überprüft letztlich, ob ein Unternehmen wirklich versucht, Missstände auszuräumen und Verstöße gegen Standards zu unterbinden. Und das geht eben auch nur, wenn man vor Ort bleibt und die Herausforderung annimmt. Wir wollen in jedem Fall Teil der Lösung und nicht des Problems sein.
Sie wollen mehr über die Lieferkette der Otto Group erfahren? Gern. Hier erklärt Lena Peleikis, Corporate Responsibility Lead Human Rights gemeinsam mit ihrer Kollegin Maren Sypniewski, wie OTTOs Nachhaltigkeitsstrategie funktioniert.