Wichtig: Der folgende Text basiert auf Informationen vor der offiziellen Validierung unserer neuen Klimaziele durch die Science Based Targets Initiative Ende Februar 2024.
Eine neue App hilft den Mitarbeitenden, den eigenen CO2-Ausstoß bei der Arbeit zu messen. Was kann dieses Programm? Wer hat es entwickelt? Und sollten wir, um Kohlendioxid zu sparen, weniger E-Mails schreiben?
Die Geschichte des kleinen weißen Quadrates im Personalportal der Otto Group beginnt irgendwann im Herbst 2021. Guilherme Montanari, von allen „Gui“ genannt, 42, IT-Experte der Otto Group, kann sich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern. War es in einem der Teams-Meetings, in denen er täglich viele Stunden sitzt? Oder bei einem der Termine auf dem Hamburger Campus der Otto Group? „Wir hatten als IT gerade einen großen Meilenstein mit unserer Klimaneutralität erreicht und gleichzeitig das Gefühl, dass wir mehr machen sollten. Nein, machen müssen“, sagt Gui, ein schlanker Mann mit silberfarbener Brille, Bart und kurzem Haar. Etwas machen müssen? „Um als Abteilung zu helfen, das Bewusstsein für unseren CO2-Ausstoß zu stärken.“ Gui sitzt – während er all das erzählt – wieder einmal in einem Teams-Meeting. Vor einem digitalen Hintergrund, der die Milchstraße zeigt. Dunkler Himmel. Sterne überall.
Doch wo beginnen mit dem „etwas machen“? Denn die Otto Group und speziell der IT-Bereich machen bereits einiges, um die Treibhausgase und damit den ökologischen Fußabdruck zu senken: Seit drei Jahren erhebt die Otto Group IT, bei der rund 300 Menschen arbeiten, ihren CO2-Ausstoß: den sogenannten „Footprint“ – der mit Hilfe von Berechnungsformeln, unter anderem des Ökoinstituts, ermittelt wird. 7,36 Millionen Kilogramm pro Jahr sind es, was etwa dem jährlichen Emissionsausstoß von 330 Haushalten in Deutschland entspricht1. Eine gewaltige Zahl, die vor allem durch die Herstellung und Nutzung der Geräte entsteht, die in der IT eingesetzt werden. Besonders die Rechenzentren haben einen großen ökologischen Fußabdruck. Denn die Server verursachen nicht nur eine Menge CO2 bei der Herstellung – ihr Betrieb und vor allem ihre Kühlung verbrauchen Strom, was wiederum den CO2-Ausstoß in die Höhe treibt. Oberste Priorität hat in der Otto Group das Vermeiden und Reduzieren von Treibhausgasemissionen. Dort, wo technologische Lösungen aktuell nicht verfügbar oder wirtschaftlich nicht umsetzbar sind, wird Kompensation als sinnvolle Ergänzung beim Klimaschutz gesehen. In der Otto Group IT heißt das, die verbliebenen Emissionen werden mit Hilfe von nachhaltigen Wasser- und Energieprojekten in Afrika und Mittelamerika qualitativ hochwertig kompensiert. Aber – Gui fand, dass da noch mehr geht.
„Wir in der Otto Group IT wollten ein Werkzeug haben, das allen Mitarbeitenden verrät, wieviel arbeitsbezogene CO2-Emissionen er oder sie erzeugen“, sagt Gui, immer noch im Video-Meeting sitzend, während seine zweijährige Tochter jetzt auf seinen Schoß krabbelt. „Wir wollten kein Kontrollinstrument, bloß nicht. Sondern ein Werkzeug, das uns hilft, Sensibilisierung und Transparenz zu entwickeln, was unser tägliches Handeln betrifft. Die Daten und Informationen sind deshalb und natürlich auch aus Datenschutzgründen nur für einen selbst einsehbar.“ Ein CO2-Rechner also? „Ja, aber im Wortsinn ein echter ‚Rechner‘, reelle Daten, teilweise aber auch basierend auf Näherungen und Mittelwerten, die den arbeitsbezogenen Kontext abbilden, sollten in die Berechnung einfließen.“ Das Ergebnis ist die sogenannte Footprint-App, die Gui mit seinem Team über Monate entwickelt hat.
Die App fügt die unterschiedlichen Daten-Puzzleteile zusammen, aus denen unser persönlicher CO2-Ausstoß am Arbeitsplatz besteht. Welche Geräte verwenden wir – vom Handy über Laptop bis hin zum externen Bildschirm? Wieviel Datenspeicher nutzen wir? Wie oft versenden wir E-Mails? Wie viele Dienstreisen machen wir? Und welches Transportmittel benutzen wir, wenn wir reisen? All das fließt in die Kreisdiagramme und Entwicklungskurven der App ein, die ziemlich nach NASA-Kontrollzentrum aussehen. „Ja, ich weiß, das könnte alles noch etwas mehr visuellen Glamour versprühen, es ist nicht gerade das CO2-Tinder“, sagt Gui und lacht. „Aber uns war wichtig, dass wir hier mit belastbaren Daten arbeiten und alles, was wir berechnen, transparent und nachvollziehbar ist.“
Den größten Anteil an den Gesamtemissionen tragen im Übrigen die Geräte selbst – ihre Herstellung und ihr Betrieb – und die Dienstreisen. Es macht also Sinn, so Gui, Geräte nicht alle zwei, drei Jahre auszutauschen und sich bei der Wahl eines neuen Rechners stets zu fragen, was für einen CO2-Abdruck der Computer eigentlich hinterlasse. Weniger E-Mails mit Anhängen schreiben? „Das ist vielleicht generell eine gute Idee…“, erzählt Gui, streift durch die Haare seiner Tochter und blickt dann wieder in die Laptop-Kamera. „Aber auf den gesamten Footprint hat das leider einen eher geringen Einfluss.“
Generell seien Footprint-Rechner übrigens nicht unumstritten, erklärt Gui. Denn sie können als eine Art Ablenkungsmanöver benutzt werden, wenn man mit ihnen Fokus und Verantwortung verschiebt: Weg von den großen Treibhausgas-Verursachern, hin zum Einzelnen, Kleinen. „Uns geht es bei der Footprint-App nicht um ein ,Entweder-Oder‘, sprich Konzernverantwortung oder Einzelverantwortung. Sondern um ein ,Sowohl-als-auch‘. Die Footprint-App ist als eine Maßnahme von Vielen in unserer Nachhaltigkeitsstrategie zu sehen und leistet insbesondere für Transparenz und Bewusstsein in Richtung der eigenen Mitarbeitenden einen wichtigen Beitrag.“ Klar gäbe es das Argument, dass man, wenn man sein individuelles Verhalten ändere, nur ein kleines Rad drehe. „Aber für mich gibt es keine kleinen oder großen Räder. Es gibt nur DAS Rad und das drehen wir gemeinsam. Und mit so vielen Händen wie möglich“, fügt Gui hinzu.
Seit dem 25. Oktober 2022 ist die Footprint-App über das Personalportal Fiori abrufbar, ein kleines, weißes Quadrat auf der Bildschirmoberfläche, in dem die Arbeit von Gui und seinem Team steckt. Die Anwendung ist mit der hauseigenen Mitarbeitenden-App OG2GO verlinkt und steht auf diesem Weg ab jetzt bereits vielen tausend Mitarbeitenden von OTTO und der Otto Group Holding zur Verfügung. Die Anbindung weiterer Konzerngesellschaften ist in Planung...
1 Laut Statista verursacht eine Person in Deutschland (Stand 2021) im Durchschnitt jährlich 11,17 Tonnen Treibhausgase in CO2-Äquivalenten. Die durchschnittliche Haushaltsgröße betrug 2019 laut der Bundeszentrale für politische Bildung etwa 2 Personen je Haushalt.